Jahresabschluss ganz anders …

Published by Egon Egger on

Traditionellerweise schließen wir unser Kletterjahr immer mit einem Eisfall ab. Dieses Jahr, für uns aus bergsteigersicher Sicht durchwegs erfolgreich, kommt aber alles anders. Der klimabedingte Eismangel und die frühlingshaften Temperaturen haben nicht gezwungen, sondern es hat sich nahezu angeboten, dass gefrorene Nass mit einem Felsabenteuer zu tauschen. Am 30.12. wurden die Pläne konkreter und Ben hat mir eine Tour durch die Südwand des Hechenbergs vorgeschlagen. Nahezu zeitgleich mit dem Tourenvorschlag Spitzenstätten/Schoißwohl erreichte mich die Nachricht über das Ableben unseres Gipfelstürmer Kameraden Kurt Schoißwohl, von uns Gipfelstürmer liebevoll „Gagga“ genannt. In unserer jungen Laufbahn als Gipfelstürmer hatten wir leider nicht mehr die Gelegenheit den „Gagga“ persönlich kennenzulernen, umso mehr haben uns aber die alten Geschichten der Unternehmungen von und mit ihm fasziniert. Für mich ein Grund mehr eine Tour aus der Feder von „Spitz“ und „Gagga“ zu wiederholen.

31.12.2022, perfekte Bedingungen am Hechenberg! 1.- 2.- 3.- Seillänge, der Grip ist gewaltig! Bis in die Schlüssellänge klettern wir mit voller Begeisterung und sind von der Felsqualität begeistert. Nach der Schlüssellänge, recht knackig für den Grad – Hut ab vor der grandiosen Leistung – klettern wir nach rechts und lassen uns vom vermeintlich bessern Fels links nicht verleiten. Wir folgen der aus Grasbüscheln und lockerem Fels bestehenden Verschneidung. Wir stellen fest, es sind immer wieder die vermeintlich leichten Längen die uns in den klassischen Touren einheizen. Die Stärken der „Alten“ in Verschneidungen, Rissen und Kaminen sind es, die uns immer wieder an unsere Grenzen bringen. So werden die im Führer brüchig, und schlecht absicherbaren Längen zu den für uns spannenden Seillängen. Benjamin kommentiert die nächsten 20 Klettermeter ohne Zwischensicherung: „Des isch a nettes „Run Out“ ha?“. Ich frage mich ob der Walter und der Kurt schlecht bzw. nicht absicherbare Passagen als „Run Out“ bezeichnet haben – wohl eher nicht! Als ich dann mit den Nachsteigen dran bin, bin ich bemüht, vermeintlichen Wiederholern, ein paar Griffe über zu lassen. Eine richtige Schinderei, das langsame Fortbewegen nach dem Dreipunktprinzip, mit der ständigen, erfolglosen Ausschau, nach Sicherungsmöglichkeiten. Mit vollem Respekt steigen wir bei wunderschönem Abendrot auf das Latschenfeld unter dem Gipfel aus, genießen vom Gipfel die Aussicht auch das langsam größer werdende Lichtermehr und bekommen schon die ein oder andere Rakete zu sehen.

Ein gelungener Tag, der sich stolz auf der letzten Seite unseres Kapitel 2022 präsentieren darf.

In Gedanken an unseren Gipfelstürmerkameraden „Gagga“ welcher diese Linie miterschlossen hat und gestern am 30.12.22 die letzte Seillänge zum Horizont des Glücks geklettert ist.

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