Nachdem mich mein befreundeter Fotograf und Ex-Profisnowboarder Mario bereits mehrmals fragte, ob ich den Piz Badile über die „Cassin“ mit ihm machen würde, ich aber immer abgelehnt hatte, da mir aufgrund der guten Bedingungen dieses Jahres zu viel los war, war nun der Zeitpunkt gekommen.

Als ich ca. zwei Wochen davor während einer 6-Tägigen Rennradtour mit meinem Vater vom Malojapass nach Chiavenna runter fuhr, stach mir der Badile sofort ins Auge. Jedoch nur kurz, da wir mitten in einem Gewitter waren und so schnell wie möglich unter Dach kommen wollten.
Da nun bereits September war und die Hauptsaison am Piz Badile somit zu Ende ging, waren in meinen Augen langsam die richtigen „Bedingungen“ für die „Cassin“ in der Nordost-Wand. Nur leider spielte das Wetter nicht ganz so mit. Es war recht verregnet und die Temperaturen wurden nun auch immer herbstlicher. Jedoch ließ sich im Wetterbericht ein kleines Wetterfenster erahnen. Daher rief ich kurzerhand Mario an und fragte ihn, ob er immer noch die „Cassin“ machen möchte. Er war sofort hellauf begeistert und fragte nur, wann wir starten sollen.

So fuhren wir Sonntagmittag gemütlich ins Engadin und weiter nach Bondo. Hier wurden die Rucksäcke fertig gepackt und mithilfe der E-Bikes ging es über den alten Weg in Richtung Sasc Füra Hütte. Da wir bereits spät dran waren, hieß es nichts wie Gas geben, was bis zum Ende der Straße, zumindest was davon noch übrig war, leicht ging. Danach ging es zu Fuß weiter zur Hütte, wo wir am frühen Abend schließlich ankamen. Vor dem Abendessen wurde erstmal noch der Elektrolythaushalt aufgefüllt und die Wand analysiert. Fazit, ganz schön nass! Naja, hätte man sich auch denken können, bei den starken Regenfällen der Vortage. Jedoch war somit die Anzahl der Seilschaften für diese Tour recht gering. Bloß zwei Bergführer und eine französische Seilschaft wollten die „Cassin“ morgen auch probieren. Mario war bereits ein wenig skeptisch, aber ich konnte ihn mit meinem Optimismus einigermaßen überzeugen, dass das morgen ein Traumtag sein werde. Der Wetterbericht war stabil und außer ein paar Wolken, meldet er nicht mehr.

Gut gestärkt ging es somit ins Bett, bevor der Wecker um 04:00 bereits klingelte. Die Beißer geputzt, gefrühstückt und erleichtert schulterten wir unsere Rucksäcke und um kurz nach 04:30 ging es los. Im Schein der Stirnlampen, stolperten wir in Richtung Nordkante. Am Weg dorthin überholten wir die französische Seilschaft, welche bereits um 04:00 gestartet war, sich jedoch auf der falschen Scharte abseilten. So ging es nun zu viert weiter zur Nordkante, wo wir auf der markanten Scharte in die Nordostwand abstiegen und zum Einstieg querten. Nachdem wir die Ersten am Einstieg waren, ließen wir uns Zeit beim Herrichten und um kurz vor 07:00 stiegen wir schließlich ein. Hier wurde bereits klar, dass der Rest der Tour sicher nicht trockener ist. Die französische Seilschaft folgte uns und wir hatten an den Ständen reichlich Spaß miteinander. Die nassen Platten waren nun um einiges interessanter aber immer noch gut kletterbar. Kurz vor dem Schuttband wurden die Franzosen jedoch leider langsamer und so ging es für uns nun allein weiter. Die Schlüsselseillänge glich mehr dem Canyoning als Klettern, ging aber trotzdem irgendwie frei. In einer weiteren langen Länge ging es nun bereits in den Ausstiegskamin. Die Seilschaften unter uns wurden immer kleiner und der Kamin dafür umso nasser. Doch auch dieser konnte uns nun nicht mehr aufhalten und nach 5h Kletterzeit erreichen wir schließlich die Nordkante. Ganz unter dem Motto „A Tour ohne Gipfel, is wie a Mann ohne Zipfel.“ ging es über die Nordkante zum Gipfel. Die Wolken, welche uns bereits seit der Schlüsselseillänge umhüllt hatten, verzogen sich leider immer noch nicht und so hielt sich das Panorama in Grenzen.

Nach ausgiebiger Gipfelpause und in der Hoffnung, dass es endlich aufreißen würde, fiel unser Plan A für den Abstieg, nämlich über die Nordkante, ins Wasser, da wir beide die Kante nicht kannten und die Sicht sich auf maximal 5m beschränkte. Somit trat Plan B, der „Wandertag“, in Kraft. Zuerst zur Gianettihütte hinab, um anschließend wieder hinauf zum Passo Porcelizzo zu gehen, von diesem auf der anderen Seite absteigen um dann auf den Passo Trubinasca und zu guter Letzt, hinab zur Sasc Furä Hütte. Nach knappen 14,5h standen wir wieder auf der Hütte. Daniela, die Hüttenwirtin staunte nicht schlecht, als sie uns wieder sah. Nach einem schnellen Bier ging es weiter hinab zu den Rädern und fein rollend zum Auto. Da am nächsten Tag die Arbeit rief, ging es im Raketenmodus, Marios Fahrkünsten sei Dank, retour in die Heimat. Alles in allem eine grandiose Tour in wilder Landschaft mit grausigem Abstieg, sofern man sich für den Normal-Abstieg entscheidet.

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